Ernst Herbsts gesammelte Regesten, Urkunden, Texte, Vorträge und Erzählungen zur
Geschichte der Deutschordensritter in ihrer Ballei Sachsen


Brief


Brief des Landkomturs Lossow an den Hoch- und Deutschmeister (23.08.1599)

Datum

Regest

Quelle

1599 23.08.1599, Bergen (Magdeburger Börde)
Lkt. Lossow berichtet dem Hdm. Maximilian über die Flucht eines Gefangenen der Ko. Lucklum und über die Auseinandersetzungen mit dem Hz. von BS-Wolfenbüttel über die Halsgerichtsbarkeit des DO.
LHASA, MD, Rep. A51, IX Nr. 6 Bl. 66r-67v

Quelle

Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt; Magdeburg - Standort Wernigerode -
A51 DO
IX. Kommende Lucklum
Nr.6: Des Hauses Lucklum jus gladii oder Halsgericht und einige desgleichen Malefits Casus derentwegen auch mit Braunschweig Wolffenbittel [Wolfenbüttel] gehabte Irungen


Publikationen

Nicht bekannt.


Archivalische Beschriftung

1599 Des landcomtur in Sachsen bericht, wie das ime der in div. jharlang verhaffte böese bueb aus der gefengknuß gebrochen und entkommen, bit vorhaltens. 23. Augusti 1599
{S.S.67v}
Des landkomturs in Sachsen bericht, wie dass ihm der in div. jahrelang verhaftete böse bube aus dem gefängknis gebrochen und entkommen, mit bitte um verhaltensempfehlung. 23. August 1599
{S.S.67v}

Brief

23.08.1599. Kommende Bergen. Landkomtur Lossow an den Hoch- und Deutschmeister

Gnedigster Fürst vnndt her, wir haben einen gefangenen fast zwey jarlang zu Lucklem sitzen gehabt, der ethwan vor acht oder neun jaren ein weib alhie im fürstenthumb bei Seesen ermordet, vnndt ihme etzlich geldt genommen. Wie ehr selber bekanth, habe derowegen seine uhrgicht vmb rechts belehrung vorschicket, was seine straffe sein sollen. Vndt ist zu Helmstedt erkanth, das er mit einem rade vom leben zum todte gebracht werden sollte.
Gnädigster Fürst und Herr, wir haben einen Gefangenen fast zwei jahrlang zu Lucklem sitzen gehabt, der etwan vor acht oder neun jahren ein weib alhhier im fürstentum bei Seesen ermordet, und ihm etzliches geld genommen, wie er selbst bekannt. Habe derowegen seine urgicht um rechtsbelehrung verschicket, was seine strafe sein sollen, und ist zu Helmstedt erkannt, dass er mit einem rade vom leben zum tode gebracht werden sollte.
Wie sie das zu Wulffenbüttel erfharen, haben sie den gefangenen von mir begeret, vnndt stracks weg haben, vnndt dem orden keine gerichte gestendig sein wollen. Weil aber der Orden vber die halsgerichte gute siegel vnndt brieffe, auch vor dieser zeit einen gefangenen vonn Saltze zu Lucklem sitzendt gehabt, das hertzog Heinrich der Jünger hochloblicher gedechtnus, wie dan auch s.f.g. damalige cantzeler vnndt rhete wol gewust, auch selbs für die ancleger gebeten, das der peinlich proces befordert werden mochte, als habe ich solches an die fürstliche rhete
{S.S.66r}
Wie sie zu Wulffenbüttel das erfahren, haben sie den gefangenen von mir begehret und ihn stracks weg haben und dem orden keine gerichte geständig sein wollen. Weil aber der orden über die halsgerichte gute siegel und briefe, auch vor dieser zeit einen gefangenen von Saltze zu Lucklem sitzend gehabt, was herzog Heinrich der Jünger hochlöblichen gedächtnisses, wie denn auch seiner fürstlichen gnaden damalige kanzler und räte wohl gewusst, auch selbst für die ankläger gebeten, dass der peinliche prozess befördert werden möchte, so habe ich solches an die fürstlichen räte
{S.S.66r}
gelangen lassen, ihnen auch copeyen von der kauff vorschreibungen, vnndt missionen zu geschicket, vnndt gebeten, das sie dem ordenn ferner keinen eintrag thun, sondern mit den gerichten gewehren lassen wollten. Aber es ist gantz nichts zuerhalten gewesen, ich habe auch keinen scharff richter bekommen konnen, welcher den gefangenen abthun wollen. Habe mich deswegen bey s.f.g. hern rhetenraths erholet, wie ich es midt dem gefangenen anschlagen sollte. Welche mir dan gerathen, das ich ihmen sollte lauffen lassen, doch das er sich vorpflichten muste, das er etzliche jhar wider den Türcken dienen wollte. Es ist vns aber leide gewesen, weil er ein boser bube, er mochte ethwan mit brande dem orden, wen er loß keme, schaden zu fugen. Vnndt habe ihnen im gefengnus behalten. Vor dreyen Wochen aber ist der commentor her Henning von Britzke nach Burow gewesen, alda allerley notdurfft gegen die erndte zu bestellen. Do hatt der Koch auff dem Hause Lucklum, welcher den ge=
{S.S.66v}
gelangen lassen, ihnen auch kopien von der kaufverschreibung und missionenzugeschicket, und gebeten, dass sie dem orden ferner keinen eintrag tun, sondern mit den gerichten gewähren lassen wollten. Aber es ist ganz nichts zu erhalten gewesen, ich habe auch keinen scharfrichter bekommen können, welcher den gefangenen abtun wollen. Habe deswegen bei seiner fürstlichen gnaden[des Hoch- und Deutschmeisters] herrn räten rat geholet, wie ich es mit dem gefangenen anschlagen sollte. Welche mir dann geraten, dass ich ihn sollte laufen lassen, doch dass er sich verpflichten müsste, dass er etliche jahr wider den Türken dienen wollte. Es ist uns aber leid gewesen, weil er ein böser bube, er möchte etwan mit brand dem orden, wenn er los käme, schaden zufügen. Und habe ihn im gefängnis behalten. Vor drei wochen aber ist der commentorherr Henning von Britzke nach Buro gewesen, allda allerlei notdurft gegen die ernte zu bestellen. Da hat der koch auf dem hause Lucklum, welcher den ge-
{S.S.66v}
fangenen zu speisen gepflogen, das loch oben am thurme offen gelaßen, vndt ist der gefangene an einem stro seile, das er zuuor heimlich in gefengnus gemacht gehabt, aus dem thurme gestiegen, vnndt hat eine wandt bey einer heimlichkeit1 ausgestossen, das seel an die latten gebunden, vnndt sich dann in den garten gelassen, vnnd ist also dauon gekomen. Ich mache mir aber die gedancken, es werde ime der koch dauon geholffen haben. Dan balt als der Commenthur zu Lucklem wider angekommen, vnndt der koch ihme gesehen, hatt er sich entsetzet, ist in die kuche gegangen, vndt hat sein gerethlein zusammen genommen, vnndt ist dauon gelauffen.
fangenen zu speisen gepflogen, das loch oben am turme offen gelassen, und ist der gefangene an einem strohseile, das er zuvor heimlich im gefängnis gemacht gehabt, aus dem turme gestiegen, und hat eine wand bei einer heimlichkeit ausgestossen, das seil an die latten gebunden, und sich dann in den garten gelassen, und ist also davon gekommen. Ich mache mir aber die gedanken, es werde ihm der koch davongeholfen haben. Denn bald als der commenthur zu Lucklem wieder angekommen und der koch ihn gesehen, hat er sich entsetzet, ist in die küche gegangen und hat sein sein gerätleinzusammen genommen, und ist davon gelaufen.
Wilhoffen, weil der gefangene, ohne des ordens verursachen, dauon gekommen, es moge dem orden kein nachtheil daraus entstehen. Weil auch dem hertzogen selbs, etzliche mael gefangene bey liechtem tage aus dem gefengnus, vnndt von der vheste gekommen sein. Ich wollte dem gefangenen wol nachtrachten lassen, das wir ihme wider bekommen mochten. Ich mus aber besorgen, es mochte ihme der hertzog etwan, {S.S.67r}
Ich will hoffen, weil der gefangene, ohne des ordens verursachen, davon gekommen, es möge dem orden kein nachteil daraus entstehen. Weil auch dem herzogen selbst etzliche mal gefangene bei lichtem tage aus dem gefängnis und von der feste gekommen sind. Ich wollte dem gefangenen wohl nachtrachten lassen, dass wir ihn wiederbekommen möchten. Ich muss aber besorgen, es möchte ihn der herzog etwan
{S.S.67r}
auff einen reuers, von der obrigkeit, dann wieder eingezogen wurde, weg bekomen, vnndt dem orden daraus nachtheil endtstehen. Bitte dienstlich e.f.g. rhatlichs bedencken, was zu thun oder zu lassen sein solle. Demnach ich mich zu richten.
{S.67v}
wegbekommen auf einen nachtrachten von der obrigkeit, der dann wieder eingezogen würde, und dem orden daraus nachteil entstehen. Erbitte dienstlich euer fürstlichen gnaden ratliches bedenken, was zu tun oder zu lassen sein solle. Demnach ich mich zu richten habe.
{S.67v}

Anmerkungen

URGICHT: a) das geständnis mit oder ohne tortur; b) die aufzeichnung des geständnisses; c) ungenau wird der ganze mit der vernehmung und dem geständnis verbundene hergang als urgicht bezeichnet. [Grimm: DWB] [Zurück]

SALTZE: (Groß) Salze, jetzt OT von Schönebeck an der Elbe [Zurück]

NOTDURFT GEGEN DIE ERNTE: Notwendiges vor der Ernte [Zurück]

HEIMLICHKEIT: verborgenheit, verborgener ort [Grimm: DWB] [Zurück]

SEIN GERETHLEIN: sein Gerätlein; seine Sachen [Zurück]

FESTE: Festung Wolfenbüttel: Besonders wichtig war auch die Funktion Wolfenbüttels als Festung. Tiefgestaffelte Befestigungsanlagen mit Wällen und Bastionen, dreistöckige Kasematten, mit einer Garnison von 3.000 Soldaten besetzt, sollten potenzielle Belagerer abschrecken. Zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges war Wolfenbüttel die stärkste Festung in Norddeutschland. [digibib Wiki Heinrich Julius (Braunschweig-Wolfenbüttel). S.120432 f.] [Zurück]

NACHTRACHTEN: verfolgen [Zurück]

REVERS: schriftliche Gegenverpflichtung, dieses oder jenes zu leisten oder zu unterlassen [Zurück]

DIENSTLICH: dienstbereit, dienstfertig, "Euer Diener" [Zurück]


Alle Rechte der - auch auszugsweisen - Vervielfältigung zum Zweck der kommerziellen Verbreitung beim Verfasser.


Zitieren dieses Textes

(1) virtuell: http://ernstherbst.online.de/hist/urk/1599_0823_-lo-an-hdm.htm und Datum der Einsichtnahme
(2) im Druck: Ernst Herbst: Brief des Landkomturs Lossow an den Hoch- und Deutschmeister (23.08.1599) Atzendorf 2007

Datum der Transkription: 11.10.2007

Letzte Änderung: 11.10.2007




Impressum und Autor
E-Mail: e.imwinkel@web.de