Ernst Herbsts gesammelte Regesten, Urkunden, Texte, Vorträge und Erzählungen zur
Geschichte der Deutschordensritter in ihrer Ballei Sachsen

Brief


Landkomtur Lossow an die Deutschordenskanzlei (16.04.1599) mit Regest der Antwort

Datum

Regest

Quelle
1599 16.04.1599, Bergen
Landkomtur Lossow bittet die Deutschordenskanzlei um eine Empfehlung, wie mit einem zum Tode verurteilten Gefangenen zu verfahren ist, der wegen des Einspruchs des Herzogs von Braunschweig-Wolfenbüttel weder hingerichtet, noch des Landes verwiesen werden kann und schlägt vor, ihn im Gefängnis sterben zu lassen. Die Deutschordenskanzlei stimmt zu.>
LHASA, MD, Rep. A51, IX Nr. 6 Bl.64-65 .

Quelle

LHASA, MD Rep. A51, IX Nr. 6 Bl.64-65
Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt; Magdeburg - Standort Wernigerode -
A51 DO
IX. Kommende Lucklum
Nr.6: Des Hauses Lucklum jus gladii oder Halsgericht und einige desgleichen Malefits Casus derentwegen auch mit Braunschweig Wolffenbittel [Wolfenbüttel] gehabte Irungen


Publikationen

Nicht bekannt.

Brief

16.04.1599, Bergen. Landkomtur Lossow an die Deutschordenskanzlei  mit Regest der Antwort
Der gefangene sitzet noch. Darob ich wolgemeinet gewesen, ihme der hafft zuerlassen, vnndt ihme auffzulegen, das er sich in Vngarn begeben, vnndt wider den Türcken gebrauchen lassen sollte, so lassen sich doch guthe leute bedencken, das er vnter dem kriegs volcke nicht wurde gelitten werden, wie er dan auch zum kriegsman nicht geschickt. Wehr auch zu befharen, weil er ein boser bub ist, das er etwan das dorff alhir anstecken, oder sonsten dem orden an andern orten schaden zufügen mochte. Dan es ist niemandt, der sich für ihnen loben will.

Der gefangene sitzt noch. Darob ich wohlgemeinet gewesen, ihn der haft zu erlassen, und ihm aufzuerlegen, dass er sich in [nach] Ungarn begeben und wider den Türken gebrauchen lassen sollte; so lassen sich doch gute leute bedenken, dass er unter dem kriegsvolke nicht würde gelitten werden, wie er dann auch zum kriegsman nicht geschickt [geeignet] ist. Wäre auch zu befahren, weil er ein böser bube ist, dass er etwa [vielleicht] das dorf allhier anstecken oder sonst dem orden an anderen orten schaden zufügen möchte. Dann [denn] es ist niemand, der sich für ihn lobenwill.

So kann ich auch auff der nahe, keinen scharfrichter bekommen, welcher ihnen richten wolle. Fürchten sich alle für den hertzogen von Braunschweigk, weill s.f.g. dem orden der gericht nicht gestehen will. So wird doch (ungeachtet das wir solches nicht schuldig gewesen) mit guten siegeln vndt brieffen, das die gerichte dem orden zustehen, auch mit hertzog Heinrichs hochloblicher gedechtnus,
{S.64r}

So kann ich auch auf [in] der nähe, keinen scharfrichter bekommen, welcher ihn richten wollte. Fürchten sich alle für den [vor dem] herzog von Braunschweig, weil seine fürstlichen gnaden dem orden der gericht [die Gerichtsbarkeit nicht zugestehen will. So wird doch (ungeachtet, dass wir solches nicht schuldig gewesen sind) mit guten siegeln und briefen, dass die gerichte dem orden zustehen, auch mit herzog Heinrichs hochlöblichen gedächtnisses,
{S.64r}

vnnd letzlicher s.f.g. fürnemer rhete handt vnndt siegel, beweiset, das meine vorfahre in exercitio jurisdictionis gewesen, ich auch noch sey, weil vor etzlich jahren Ulrichs von Weberling kutscher alhie einen teichgreber erstochen, vnndt ich denselben habe gefenglichenn hieher bringen lassen, hernach aber, auff fürbit des von Weberling, weil der endtleibte ein anfenger des streits gewesen, vnndt vrsach zu der endtleibung selbs gegeben, der gefengnus entlassen, vnndt ewig vorweiset habe.

und letztlicher (des letzteren), seiner fürstlichen gnaden, vornehmer räte handschrift und siegel bewiesen, dass meine vorfahren [Vorgänger] in exercitio jurisdictionisgewesen sind, ich auch noch sei, weil vor etzlichen jahren Ulrichs von Weferlingen kutscher alhier einen teichgräber erstochen hat und ich denselben habe gefänglichenn hierher bringen lassen, hernach aber, auf fürbitte des von Weferlingen, weil der entleibte ein anfänger [Urheber] des streits gewesen ist und ursache zu der entleibung selbst gegeben hat, der gefängnis [Gefangenschaft] entlassen und auf ewig des Landes verwiesen habe.

Wuste schier keines besseren raths, wen es gegen vnserenn Herr Gotte zuuorantwordten, dan das man ihnen im gefengnus sterben liesse, weil er doch das leben verwircket hat.
Will doch ohne eweren rath, hirein nichts vorhengen. Bitte mir denselben nochmals mitzutheilen.
{S.64v}

Wüsste schier keines besseren rates, wenn es gegen unseren herrgotte zu verantworten wäre, dann [als] dass man ihn im gefängnis sterben ließe, weil er doch das leben verwirkt hat.
Will doch ohne eueren rat hierin nichts verhängen [anordnen]. Bitte mir denselben nochmals mitzuteilen.
{S.64v}

[Anmerkung der Kanzlei]
Den noch in gefengnuß zu Luckulum sitzenden vbeltheter belangendt.
Ist jime wider geantwort, das mans bey voriger ime zugeschriebene meinung lasse vorpleiben. So er vff ein Galern wider den Türcken zupringen, wer wol das beste, wo nicht vnd sich sunst auch seine lediglassung ordenshalber zubeuharen, so nicht er in squatore carceris geleich vollicht verstirbt.
{S.65r}

[Anmerkung der Kanzlei]
Den noch in gefengnis [Gefangenschaft] zu Lucklum sitzenden übeltäter anbelangend.
Ist ihm wieder geantwortet, dass man es bei voriger ihm zugeschriebener [schriftlich mitgeteilter] meinung lasse verbleiben. So [wenn] er auf eine Galeere wider den Türken zu bringen, wäre das wohl das beste, wo nicht und sich sonst auch seine lediglassung [Entlassung] ordenshalber zu befahren [befürchten]ist, so nicht er squalore carcerisgleich vielleicht verstirbt.
{S.65r}

Anmerkungen

WOHLGEMEINT: aufrichtig [Grimm: DWB] [Zurück]

BEFAHREN: ganz unverwandt mit "befahren" eines Weges; gehört zum mittelhochdeutschen vâren, althochdeutsch fârên; der besorgende fürchtet gefahr und hinterlist. [Grimm: DWB] [Zurück]

LOBEN: geloben, bürgen [Zurück]

HEINRICH DER JÜNGERE von Braunschweig- Lüneburg; (1489-1568), Herzog zu Braunschweig-Lüneburg, Fürst von Braunschweig- Wolfenbüttel, regierte von 1514 bis zu seinem Tode 1568. - Der für seine Härte und seine Rücksichtslosigkeit bekannte Heinrich hielt unbeirrt am Katholizismus fest, auch als alle anderen Welfenherrscher und die Stadt Braunschweig bereits die Reformation eingeführt hatten. Aufgrund seiner Hartnäckigkeit wurde er sogar zum Thema von Flugschriften Martin Luthers, so zum Beispiel in der Schrift "WiderHans Worst" von 1541. Zeitweilig wurde er auch als "Heinz von Wolfenbüttel" verspottet. [digibib Wiki] [Zurück]

EXERCITIO JURISDICTIONIS: Ausübung der Gerichtsbarkeit [Zurück]

IN SQUALORE CARCERIS: "im Dunst des Verlieses" [Zurück]


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Zitieren dieses Textes

(1) virtuell: http://ernstherbst.online.de/hist/urk/1599_0416_lo_an_dok.htm und Datum der Einsichtnahme
(2) im Druck: Ernst Herbst: Landkomtur Lossow an die Deutschordenskanzlei (16.04.1599) mit Regest der Antwort Atzendorf 2007

Datum der Transkription: 12.10.2007
Letzte Änderung: 12.10.2007




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