Ernst Herbsts gesammelte Urkunden, Regesten, Texte, Vorträge und Erzählungen
zur

Geschichte der Deutschordensritter in ihrer Ballei Sachsen


Aufsatz:

Der Ritter auf dem Altarbild

Am 26. und 27. Juli 2007 ging die dpa-Nachricht durch die Medien der Welt, von einem Kunsthistoriker seien in einem Bamberger Antiquitätengeschäft zwei Tafeln eines Altars entdeckt und die vier Bilder Lukas Cranach dem Älteren zugeschrieben worden. Die Kunstwerke waren 1980 aus der Kirche in Klieken gestohlen worden.

Die Nachricht hat mich auf besondere Weise bewegt. Hatte ich doch am Wochenende zuvor mit meinem Gastgeber in Buro über eben diese Bilder gesprochen, und beide waren wir überzeugt, sie würden nie wieder das Licht der Öffentlichkeit erblicken.
Vor drei Jahren hatte ich mich nur wegen dieses Bildes und eines Leichsteins auf den Weg nach Klieken und Buro gemacht.

Komturei Buro 2004

Buro war der Sitz einer der vier Kommenden (Verwaltungseinheiten) der Ballei (Provinz) Sachsen des Deutschen Ordens, die sich auf dem Territorium des heutigen Landes Sachsen-Anhalt befanden. Von der Kommende Aken an der Elbe blieb als Spur nur der Name „Komturstraße“, von der Kommende Langeln bei Wernigerode die inzwischen schön renovierte Kirche mit Inventar aus der Zeit der Ordensritter und die Komturei, das Wohngebäude der Komture, in Bergen bei Seehausen/Börde wurde ein ganzes Gebäudeensemble renoviert. Buro auf dem rechten Ufer der Elbe, unweit von Coswig gelegen, kam 1258 mit dem Nachbarort Klieken in den Besitz des Deutschen Ordens – des Ordens der Brüder vom Deutschen Haus (oder Hospital) der Heiligen Maria in Jerusalem, des Deutschherrenordens, des Deutschritterordens, des Deutschen Ritterordens oder der Mantelherren, wie die Ritterbrüder wegen des auffälligen weißen Mantels mit dem schwarzen Kreuz der Bundeswehr darauf auch genannt wurden. Wer für Buro und seine Ritter informieren will, findet umfangreiche Informationen auf der Webseite von Rainer Hummel.

Am 13. Dezember 2008 werden 750 Jahre vergangen sein, seit Graf Bernhard I. von Anhalt in Bernburg den Orden der Deutschritter mit Buro beschenkte. Damals betrieben die Ordensritter schon einige Jahrzehnte lang Osterweiterung im Land der Preußen, das sie - natürlich auf Bitten des einheimischen Herrschers - besetzt hatten, um die Bevölkerung mit den Segnungen des Christentums und der westlichen Kultur und Zivilisation zu beglücken. Vermutlich war Buro eine Station auf dem Weg, den der Nachschub für die Besatzungsmacht nahm. 1259 schenkte der Fürst von Anhalt dem Orden die Kirche von Buro.

In Klieken wurde die erste Kirche erst 1506 - gegen den Protest des Ordens - erbaut. Im Jahre 1809 löste Napoleon den Deutschen Orden in den Rheinbundstaaten auf - aber nur in ehemaligen Feindstaaten, nunmehr besiegt und zu Verbündeten geworden; der Fürst von Anhalt-Zerbst konnte die Güter der Kommende Buro nach 550 Jahren mit seinem Besitz wiedervereinigen.

Es blieben Gebäude und Erinnerungen. So wurde 1935 das Ordenskreuz in das Wappen des Kreises Zerbst aufgenommen - zur selben Zeit, als der Nazi-Orden SS die Gegner des Faschismus terrorisierte und die Naziführung sich auf die neue Osterweiterung vorbereitete. Nach der Wiedervereinigung mit Österreich wurde der Deutsche Orden mit seiner Zentrale in Wien verboten und verfolgt.
1995 beschloss der Kreistag des Landkreises Anhalt-Zerbst001, das Ordenskreuz wieder in das Wappen aufzunehmen. Nun ist wohl mit dem Landkreis auch das Kreuz verschwunden.

Wenn im kommenden Jahr in Buro Veranstaltungen zur Erinnerung an die Ordensritter stattfinden sollten, könnte der Altar mit den wiedervereinigten Altarbildern zu den größten Attraktionen für Besucher gehören, die auf einer Reise nach Wörlitz einen Abstecher nach Klieken und Buro unternehmen.

Das erste Ziel meiner Reise im Jahre 2004 war der Leichstein des Hans v. Lattorff, der im Jahre 1571 als Komtur, als geistlicher und weltlicher Vorsteher der Kommenden Buro und Aken, gestorben war. Fassade und Dach der Kirche und des Turms waren wieder hergestellt, das angebaute Wohngebäude, die Komturei, wurde durch ein provisorisches Plastedach und durch vermauerte Fenster vor Wind, Wetter und Wüterichen geschützt. Der junge Pfarrer und die Kirchenälteste öffneten die Kirche für eine Besichtigung. Der Stein mit dem Ordensritter Lattorff ist in eine Wand so eingemauert, dass man dem alten Herrn auf Augenhöhe gegenübersteht. Ob der Leichstein ein Grabstein war - eine Platte, die die letzte Ruhestätte deckte - kann nicht mit Sicherheit behauptet werden, ist aber in diesem Falle anzunehmen.

Kirche in Klieken 2004

In Klieken zeigten zwei Heimatforscherinnen ihre Kirche und boten einen Einblick in ihre umfangreichen Unterlagen zur Ortsgeschichte. In der Kliekener Kirche ist unter anderem das Grabmal mit dem Porträt (in Stein) eines Herrn von Lattorff zu sehen, der beim Wettbewerb um den dicksten Mann im Fürstentum die Siegeskrone (oder was immer der Preis war) davontrug. Das war im 18. Jh. – heutzutage erhalten in Frauenwettbewerben die dünnsten Damen den Preis – der Unterschied ist graduell, nicht fundamental.

Die Bilder auf den Seitenflügeln des Altars waren nicht zu besichtigen. In Klieken verdächtigte man einen Herrn namens Schalck-Golodkowski, sie bei Nacht und Nebel entführt zu haben. In einem Buch über „Anhalts Bau- und Kunst-Denkmäler“ aus dem Jahre 1894 ist über den Altar der Kliekener Kirche zu lesen: „Am Sockel der Maria das Wappen derer von Eisemberg. Stifter von Eisemberg kniend auf dem linken Flügelbild in der Tracht des Deutschen Ordens.“ 002 Wo sonst konnte man in Sachsen-Anhalt das Bild eines Deutschordensritters in seiner Tracht aus dem 16. Jahrhundert in einem öffentlichen Raum finden?

Cranach-Altarbild 2 (mit Ritter)

In Klieken heißt es, der Altar – oder die beiden Flügel - sei 1520 von dem Ordensritter Eisemberg für die Kommendekapelle in Buro gestiftet worden. Das wirft Fragen auf. Nachweislich brannte im Jahre 1520 die Komturei ab, so dass nach Aussage eines Zeugen „nicht mehr als eine Stube und Kammer samt einer alten Küche neben der Kirche zu Buro unter einem schadhaften Dach gestanden haben, womit sich der Komtur Johannes Schönewitz behelfen musste.“ Bei dem Brand wurden die Urkunden der Kommende vernichtet – das Unglück war von einer Lichtschnuppe ausgegangen, die auf dem Tisch unter die Dokumente geraten war. 003

Vom Spender des Altars, dem Ordensritter Eisemberg, gibt es sonst keine Nachricht. Man weiß aber, dass Familie v. Isenburg/ Ysemburg/ Eisenburg in alter Zeit in und bei Aken begütert war - der letzte Akener Isenburg starb 1609 004 - und dass es in Aken eine Komturei gab. Warum spendete ein Ritter aus Aken im Erzbistum Magdeburg einen Altar für die Ordenskirche in Buro im Fürstentum Anhalt, während der Buroer Komtur in einer verfallenden Wohnung hausen musste? Auch war Lukas Cranach, der Hofmaler Friedrichs des Weisen in Wittenberg, im Jahre 1520 kaum auf den Auftrag eines simplen Ordensbruders angewiesen. Kurfürst Friedrich III. hatte im Jahre 1519 gerade die aussichtsreiche Kandidatur auf die Kaiserwürde ausgeschlagen. Die Auftragsbücher seines Hofmalers dürften bis zum Rande voll gewesen sein.

Der Altar mit dem Bild des knienden Ordensritters in seinem weißen Mantel stand bis 1697 in Buro. Viele Komture haben vor ihm gebetet, auch Hans v. Lattorff.
Diesen Lehnsmann des Ordens hatte Burkhard v. Pappenheim, der Landkomtur, der „Gebietiger“ der Ballei Sachsen im Jahre 1528 gebeten, Ordensritter zu werden, weil „durch die geschwinde Empörung des Glaubens im Orden rittermäßige Personen fehlen“. Die von Wittenberg ausgehende Reformation hatte dem Orden seinen größten Schaden zugefügt: der Hochmeister Albrecht hatte im Jahre 1525 den Ordensstaat sozusagen privatisiert, ihn in ein erbliches Herzogtum umgewandelt. Pappenheim machte dem Lattorff den Eintritt in den Orden, der mit dem Gelübde der Armut der Keuschheit und des Gehorsams gegenüber der Ordensobrigkeit verbunden war, mit dem Versprechen schmackhaft, ihn zum Komtur auf Lebenszeit zu ernennen.
1529 wurde Lattorff Komtur. Er hatte zwei Brüder: Matthias, den anderen Lehnsmann des Deutschen Ordens in Klieken, und Joachim, einen Domherrn in Magdeburg, Halberstadt und Havelberg, der schon in früher Jugend großes Ansehen in Rom erworben hatte und beim Papst in Rom und beim Kaiser auf den Reichstagen in Augsburg gegen die lutherischen Ketzer und Separatisten in Magdeburg kämpfte. 005

Der Komtur Lattorff hätte einen ganz anderen Sponsor seiner Kirche als Isenburg abgegeben. Es war im Orden üblich, dass die Komture nach ihrer Einsetzung eigene Mittel für die Erhaltung und den Neubau ihrer Kirchen wie auch der Wohn- und Wirtschaftsgebäude einsetzten. Das war ein Wurf mit der Wurst nach der Speckseite, denn wenn sie ihre Kommende in Schuss brachten, warf diese hinreichende Mittel für eine standesgemäße Lebensweise und für persönliche Rücklagen ab. Den ständigen Klagen der Komture und des Landkomturs über ihre miserable Lage ist wohl so viel Wahrheitsgehalt beizumessen wie aktuellen Klagen der Unternehmer in allen Bereichen der Wirtschaft.
Als Hans v. Lattorff 1529 Komtur in Buro wurde, hätte er noch 18 Jahre Zeit gehabt, ein Werk bei Cranach in Auftrag zu geben. Der war nach dem Tode Friedrichs des Weisen (1525) Hofmaler geblieben - zuerst bei dem Kurfürsten Johann dem Beständigen bis 1532, dann bei Johann Friedrich dem Großmütigen. Der unterlag 1547 in der Schlacht bei Mühlberg an der Elbe den Truppen Kaiser Karls V., wurde zum Herzog degradiert und für viele Jahre gefangen genommen. Cranach begleitete ihn in die Gefangenschaft.

Über Hans v. Lattorff und seinen Neffen und Nachfolger Ernst gäbe es weit mehr zu erzählen als über den unbekannten Stifter Isenburg – über den Strick am Hals des Ritters Hans auf seiner Grabplatte, der ihm den Ruf eintrug, ein Liederjahn und Frauenverführer gewesen zu sein, der diesen Strick, den er bei Lebzeiten verdient hätte, nun sehr viel länger auf seinem Leichstein tragen müsse 006 - womit aber dem alten Lattorff bitter Unrecht geschieht, denn sein Neffe Ernst war der Liederjahn und Lotterbube, der mit einer Cousine in Klieken eine Liebelei hatte, ihr die Ehe versprach, eine andere heiratete und mit diesem Bruch des Ordensgelübdes und auf andere Weise dem Orden Schaden zufügte.

Leichstein H. v. Lattorffs (+1571) in der Kommendekirche Buro

Der Altar mit den Cranach-Bildern (oder Bildern aus der Werkstatt Cranachs) stand bis 1697 in Buro. Dann räumte der gerade neu ernannte Komtur Samson von Stain die Kirche aus und richtete sie im Stil des Barock ein. Der von ihm gestiftete Altar wurde abgebaut und eingelagert. Der alte Altar wurde vermutlich vor der Vernichtung bewahrt, weil die Lattorffs in Klieken mehr Kunstverstand als der Komtur in Buro hatten und die Gemälde zu schätzen wussten. Ob die Kliekener sie auch zu schätzen wussten, muss dahingestellt werden – den Schatz vor Dieben zu schützen wussten sie nicht. Nun darf man gespannt sein, ob die Geschichte des Kirchenraubs und der Gemäldewanderung von Klieken an der Elbe nach Bamberg nahe dem Main aufgeklärt wird, und mehr noch, ob und wann die Gemälde von ihrer Urlaubsreise nach Klieken zurück kehren.


Anmerkungen, Literatur- und Quellenhinweise

1 Landkreis Anhalt-Zerbst. Der Kreistag. Ordnungs-Nr.: 05/01/99-1 Beschluss 28.01.2003. 1. Änderung der Hauptsatzung des Landkreises Anhalt-Zerbst. § 2 Wappen, Flagge und Dienstsiegel (1) Das Wappen des Landkreises Anhalt-Zerbst ist ein von dem Kreuz des Deutschen Ritterordens gevierter Schild. [Zurück]
2 Büttner Pfänner zu Thal: Anhalts Bau- und Kunst-Denkmäler. Dessau 1894. S.494 [Zurück]
3 Gottfried Wentz: 17. Die Deutschordenskomturei Buro . In: Germania Sacra. 1. Abteilung: Die Bistümer der Kirchenprovinz Magdeburg. 3. Bd.: Das Bistum Brandenburg. 2. Teil S.506-513. Berlin 1941 [Zurück]
4 W. Zahn: Zur Genealogie und Geschichte der Adelsfamilien in Aken. Magdeburger Geschichtsblätter 21(1886) S. 198-209 [Zurück]
5 Gottfried Wentz: Das Bistum Havelberg. Berlin 1933 S.156 [Zurück]
006 Die Balleien in Deutschland waren Ergänzungsbezirke für Personal und Material in Preußen. Der Komtur von Lattorff hatte eine Liebelei mit einer Base in Klieken. Im Volksmund heißt es, Lattorff trage auf seinem Gedenkstein eine Schnur um den Hals, die er bei Lebzeiten wegen seines anstößigen Lebenswandels verdient hätte. Schwabe: Ordenskomturei Buro in Anhalt. In: Askania. Wochenblatt für Vaterländische Geschichte. Beilage zur Köthenschen Zeitung. 31(1937) Nr.17-19 S.65 [Zurück]

Publikation

"Vom Orden bleiben Gebäude und Erinnerungen" Volksstimme Zerbst - Anhalt-Zerbster Nachrichten, 28.08.2007
"Bis 1697 steht der Altar in der Ordenskirche Buro" Volksstimme Zerbst - Anhalt-Zerbster Nachrichten, 30.08.2007.
Im Artikel eine fehlerhafte Angabe: nicht Friedrich der Weise, sondern Johann Friedrich der Großmütige verlor die Kurfürstenwürde und geriet nach der Schlacht bei Mühlberg in die Gefangenschaft Kaiser Karls V.!


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Letzte Änderung 05.09.2007
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