Ernst Herbsts gesammelte Texte von und über
Immermann,
den Freundeskreis C.L.I. (1983-1990)
und die Anfänge der Immermann-Gesellschaft


Carl-Leberecht-Immermann-Circular (II/2008) S.2-3
Immermann-Gesellschaft e. V. Magdeburg


24.04.2008: Lokaltermin in Epigonien

Die Immermann-Gesellschaft - vertreten durch Frau Köther und Frau Stutterheim - hatte zum Ortstermin nach Epigonien eingeladen. Die Ermittlungen betrafen einen alten Streit um die Realität, die Immermann in seinem den Realismus mit begründenden Roman "Die Epigonen" gestaltete. Die Ergebnisse stützen die Klage gegen die Literaturwissenschaft wegen Unterschlagung von Fakten zur Erhellung der Hintergründe des Werks. (Der Roman ist im Internet, seit 2004 im Band 1 der Digitalen Bibliothek "Deutsche Literatur von Lessing bis Kafka - Studienbibliothek" und seit Mai 2008 als broschierte Ausgabe der Directmedia Publishing für 49,90 Eurozu finden.)

Die Literaturtheorie hat bekanntlich die literarischen Vorbilder des Romans akribisch erforscht. Wenn es um Land und Leute ging, suchte sie nur in westlichen Gefilden und in Berlin nach den Modellen - abgesehen vom alten Nathusius, der als Vorlage für den Oheim im Roman nicht zu übersehen oder zu leugnen war.

In Haldensleben und Magdeburg vermutete man schon seit längerem, dass auch die Landschaft um Hundisburg und Kloster Althaldensleben in Passagen der "Epigonen" zu erkennen ist. Criminal-Auditeur Hauer nahm sich seit einigen Jahren der Sache an, er ermittelte und legte jetzt seine Beweise der Öffentlichkeit vor. Sie gehen über die ursprünglichen Vermutungen weit hinaus. Er entwirrte die weit verzweigten Verwandt- und Bekanntschaftsverhältnisse Immermanns zu Menschen im Raum Haldensleben und schloss daraus, dass Immermann als Kind und als junger Mann bei Reisen zu Verwandten die Gegend recht gut kennen lernte. Für einen phantasievollen Jungen aus dem flachen Magdeburg bot die abwechslungsreiche Landschaft manchen Reiz, Hügel erschienen wie Berge, Abhänge wie Schluchten, Bäche wie reißende Flüsse. So erhielt der Dichter Immermann jene Anregungen für seine Dichtungen, die sich bei gründlicher Suche im Werk und in der Landschaft nachweisen lassen.

Die Immermannfreunde wurden schon bei einem früheren Ortstermin davon überzeugt, dass der Blick auf Schloss Hundisburg und die Industrieanlagen des ehemaligen Klosters Althaldensleben dem Bild von Schloss und Kloster im Roman "Die Epigonen" entsprachen.

Zu Immermanns diesjährigem Geburtstag ging es um drei literarische Orte: einen Platz, auf dem er Flämmchen ihr Kind begraben ließ, eine Höhle, die er zu "Merlins Grab" erhöhte, und eine Meierei, in der er Hermann und Cornelie ein Date vermittelte.

Noch war Pfingsten, das liebliche Fest, nicht gekommen, doch es grünten und blühten Feld und Wald, festlich heiter glänzte der Himmel und farbig die Erde, als die Immermannfreunde an der Alten Ziegelei ihren Autos entstiegen und sich der Führung von Ulrich Hauer anvertrauten.

In einem schattigen bewaldeten Tal, auf dessen Grund der Nonnenspring murmelte, gegenüber einem Hügel, der vor Jahrhunderten die Templerburg Wichmannsdorf trug, las Frau v. Koppelow aus den "Epigonen" die Szene mit dem Oheim und dem Prediger am Grabe von Flämmchens Kind - "dem Kirchhofe der verschollnen Sektierer" (9. Buch / 2. Kap.). Ulrich Hauer kommentierte, und die Beweisführung war plausibel: dass Immermann den Weg und die Stätte kannte und dass er sich an sie erinnerte, als er die Szene im Roman gestaltete.

Eine kurze Fahrt und ein romantischer Weg - früher viel begangen von Hundisburg über Bülstringen nach Emden - führten zum Platz vor einer Grotte im Fels mit Blick auf die Ruine Nordhusen gegenüber. Die Höhle ist ein Überbleibsel aus der Zeit des Bergbaus in jener Gegend, natürlich sagenumwoben und im Volksmund "Räuberhöhle" genannt. Frau v. Koppelow trug das Gedicht "Merlins Grab" vor - und wenn sich auch bei strahlendem Sonnenschein die düstere Stimmung des Gedichts nicht einstellen wollte, war auch hier die Beweisführung überzeugend: in der "Räuberhöhle" liegt der verzauberte Merlin.

Dann führte der Weg durch ein liebliches Tal zum Gut Glüsig. Hier hätte es nicht des Bestechungsversuchs mit Kaffee und Kuchen bedurft, um die Geschworenen zu bewegen, nach dem Vortrag Frau v. Koppelows und den historischen und genealogischen Erklärungen Ulrich Hauers ihr Urteil zu fällen: sie saßen in der Meierei, in der sich Hermann und Cornelie trafen (7. Buch/5. Kapitel).

Nach diesem Immermann-Geburtstag wurden die Teilnehmer der Exkursion von einer Lesewut erfasst. "Die Epigonen" erfuhren eine nie erlebte Nachfrage, und gespannt warteten alle auf das Erscheinen der gedruckten Ermittlungsergebnisse über die Bewohner Epigoniens.

(E.H.)


Ulrich Hauer: Die Epigonen. Kriminalistische Ermittlungen zu den wahren Hintergründen des Epochenromans von Carl Leberecht Immermann. Haldensleben-Hundisburg 2008. Mit 28 farb. Abb.
(Bezug: KULTUR-Landschaft Haldensleben-Hundisburg e.V. / Schloss / 39343 Hundisburg. 13 EUR )


Letzte Änderung: 14.09.2008


Homepage
Impressum und Autor
e.imwinkel@web.de