Ernst Herbsts gesammelte Texte von und über
Immermann,
den Freundeskreis C.L.I. (1983-1990)
und die Anfänge der Immermann-Gesellschaft


Magdeburger Blätter

Jahresschrift für Heimat- und Kulturgeschichte in Schsen-Anhalt

1990

Herausgegeben von der Pädagogischen Hochschule Magdeburg
S.63-65


Ernst Herbst:

Immermanns Freunde in Magdeburg -
zur Arbeit des Freundeskreises "C. L. Immermann" im Kulturbund der DDR

Über Immermann in Magdeburg, Immermann und Magdeburg, Magdeburg und Immermann ist seit mehr als anderthalb Jahrhunderten viel und vieles geschrieben worden.

Carl Immermann selbst hat sich in Briefen, Gedichten, seinen "Memorabilien" und seinem "Reisejournal" und auch in den "Beiträgen zur Methodik der Untersuchungsführung" über die Vaterstadt, ihre Einrichtungen und ihre Bewohner und auch über sein eigenes Wirken in ihr geäußert. Seine Lehrer im Gymnasium des Klosters Unser Lieben Frauen haben ihm nach jedem Halbjahr eine Beurteilung geschrieben, die Abschlußbeurteilung wurde sogar gedruckt.

Unter den Zeitgenossen, die sich über Immermann in Magdeburg ausließen, wollen wir den Rechtshegelianer Rosenkranz und den Linksdemokraten H. Heine nennen - beide erlebten den jungen Kriminalrichter Immermann im Jahre 1824. Welchen Eindruck der schon bekannte Schriftsteller Immermann in reiferen Jahren auf ein junges Magdeburger Mädchen machte, hat seine Witwe für ihre Kinder aufgeschrieben.

Vor hundert Jahren wetteiferten die Magdeburger Tageszeitungen, ihre Wochenbeilagen und die quartalsweise erscheinenden "Geschichts-Blätter für Stadt und Land Magdeburg" darum, mit immer neuen Fakten über Immermann aufzuwarten - der Dichter und Schriftsteller war vor hundert Jahren geboren worden, und die Stadt ließ einen Brunnen mit Szenen aus dem "Münchhausen" und einer Büste anfertigen, der dann auch glücklich drei Jahre nach dem Jubiläum, am 24. April 1899, eingeweiht wurde.

Immermann-Plakat 1986
Plakat zur Ausstellung in Magdeburg vom 10. März bis zum 25. April 1986

Vor fünfzig Jahren, ein Jahrhundert nach dem Tod Immermanns, gab der Rat der Stadt eine Broschüre in Auftrag, die von dem Raabe-Forscher Fehse geschrieben wurde und in der natürlich die Beziehungen zwischen Stadt und Dichter gebührend herausgestellt werden. Immermann und Heine in Magdeburg - diese Begebenheit gestaltete Werner Steinberg in seinem Roman "Der Tag ist in die Nacht verliebt". Und auch ohne jeden Jubiläumsanlaß brachte Peter Hasubek in München und Wien einen Kommentarband zu den Briefen Immermanns heraus, in dem eine Fülle an Informationen über das Wirken und die Wohnungen, über die Verwandten und Bekannten Immermanns in Magdeburg zu finden ist.

Das, was heute in Magdeburg an Immermann erinnert, ist überschaubar und schnell aufzuzählen: die Immermannstraße, die Immermann-Buchhandlung in der Großen Diesdorfer Straße, Bücher, darunter Erstdrucke, im Altbestand der Weitling-Bibliothek und in der Klosterbibliothek, eine Bronzeplatte im Kloster Unser Lieben Frauen, der vorerst noch eingelagerte Immermann-Brunnen von Carl Echtermeyer, ein seltener Kupferstich mit dem Porträt des Dichters, gezeichnet von Hildebrand, gestochen von Keller, aufbewahrt im Kulturhistorischen Museum12. Und dann liegt an besonders sicherem Ort in der Weitling-Bibliothek ein Naturkunde-Lehrbuch, das Vater Immermann mit eigener Hand für seinen Sohn Carl schrieb.

Außer den Namen und den Büchern und den Denkmalen gibt es in Magdeburg die Immermann-Freunde. Sie sind von der Idee besessen, daß zum Reichtum einer Stadt außer ihrer Industrie und ihrem Wohnungs- bestand auch die Erinnerung an ihre Geschichte und an ihre großen Töchter und Söhne gehört. Außerdem meinen sie wie der alte Baron im "Münchhausen", daß der Mensch immer einen Sparren haben muß, um recht beisammen zu sein. So beschäftigen sie sich selbst und andere, die das wollen oder nicht wollen - Studenten und Professoren, Stadtverordnete, Stadträte und Minister, Kulturbundmitglieder, Literaturschaffende und Literaturwissenschaftler im In- und Ausland - mit Werk und Leben Immermanns. Sie halten ausgerechnet diesen Mann für bedeutend genug, um ihm einen Platz unter den Magdeburger Köpfen einzuräumen - so, wie das vor Jahren schon der Magdeburger Maler Höpfner auch für richtig hielt.

Und sie tun dies, als gäbe es nicht bedeutendere Persönlichkeiten, deren steinerne und metallene Denkmale auf dem Marktplatz und ums Rathaus versammelt sind Dr. Eisenbarth und der Kaiser Otto, Dr. Luther und der Narr Eulenspiegel. Immermanns Freunde nehmen ihren Mann als Ensemble höchst interessanter und zuweilen bedenklicher gesellschaftlicher Verhältnisse und nutzen ihn als Rohstoff ihrer Tätigkeit: den Sohn eines altpreußischen Kriegs- und Domänenrats und königlich-westfälischen Präfekturrates, den Bruder eines Professors am Klostergymnasium, den Ehemann einer Magdeburger Arztochter, den Dichter, Dramatiker, Schriftsteller, Literatur- und Kunstkritiker, den Dramaturgen und Schauspieldirektor, den Militärrichter in Münster, den Kriminalrichter in Magdeburg, den Landrichter in Düsseldorf, den Freund und das Vorbild vieler bekannter Menschen seiner Zeit und den Gegner vieler nicht weniger bekannter Persönlichkeiten, den Gründer des Düsseldorfer Theatervereins, der Düsseldorfer Musterbühne und der zwecklosen Gesellschaft, den Mann mit den merkwürdigen Frauengeschichten, eben den Mann mit den bekannten drei Buchstaben C. L. I.

Fragt man nach dem Ziel dieser Gruppe, erhält man höchst verschwommene Antworten: den Immermann wollen sie wieder ins Gerede bringen und bei diesem Geschäft sich selbst und andere erfreuen mit Nachrichten (und der Art ihrer Übermittlung) über den Menschen und den Künstler Immermann, über sein Werk und dessen Wirkung, über seine Zeit und seine Zeitgenossen.

Immermanns Zwecklose Gesellschaft
Karl Immermann: Zeichnung zum "Orden der zwecklosen Gesellschaft"
Quelle: Böttcher S.486

Versuche, die Immermannfreunde auf Traditionen Magdeburger Geselligkeit zu verpflichten, blieben bisher ohne Erfolg. Da half nicht einmal ein verschollen geglaubter Brief des Dichters, dessen Kopie Karlheinz Kärgling von der Krakower Jagiellonen-Universität erhielt und in dem zu lesen ist: "Es sind jetzt für Magdeburg Festtage... alle Klassen nehmen daran Teil, und der Magdeburger ißt und trinkt an diesem Tage sich wieder in den Patriotismus hinein, wenn er ihn durch die Angaben und Zollgesetze etwas verloren haben sollte."

Als der Freundeskreis im Oktober 1983 gegründet wurde, gab es noch die Frage, ob er nicht eines Tages eine Heim- und Wirkungsstätte erhielte, und diese Frage wurde belebt, als die Immermannfreunde im Jahre 1986 anläßlich des 190. Geburtstages des Dichters eine Ausstellung veranstalteten, deren Exponate dann wieder verstreut wurden oder in einen Abstellraum gerieten. Aber die Praxis bewies, daß das Nomadenleben des Freundeskreises dessen Wirkungsmöglichkeiten vergrößert.

Natürlich zieht es die Immermannfreunde immer wieder ins Kloster Unser Lieben Frauen. Gästen zeigen sie die verstaubte Bronzeplatte mit einem häßlichen Relief, die vorerst in den Kreuzgang gestellt wurde, und weisen auf zwei Fehler der Inschrift hin: Karl Lebrecht Immermann geb. 24. IV. 1796 Magdeburg. Der wahre Immermannverehrer schreibt Carl, und ganz ohne Zweifel und Ausnahme muß es heißen Leberecht. Dennoch sind sie den Theaterleuten einer anderen Generation dankbar dafür, daß sie anläßlich der Welttheaterausstellung 1927 in Magdeburg diese Tafel anfertigen ließen und sie am Haus der Pansaschen Druckerei anbrachten.

Dort, in der Großen Klosterstraße, gegenüber der Pforte, durch die die Stadtschüler ins Gymnasium gelangten, hatte Immermanns Geburtshaus gestanden. Dort hatte der junge Dichter einige Monate lang gelebt und gearbeitet, als er 1824 aus Münster nach Magdeburg kam, und dort hat er auch seinen Freund Harry Heine fast eine Woche lang bewirtet. Heute ist dort freilich kein Ort für ein Immermanndenkmal - den Platz hat Herr Telemann mit seinen Musen belegt.

Wenn sich die Immermannfreunde im Kloster zusammenfinden, kommen sie unvermeidlich auf den Klosterschüler Carl zu sprechen. Ursula Kümmel hat im Staatsarchiv Magdeburg die Schulzeugnisse Immermanns ausgegraben und weiß über ein Häkchen zu berichten, daß sich beizeiten zu einem Haken krümmte. lIona Brditsche, die die umfangreichste Immermann-Bibliografie der DDR betreut, erhält als Mitarbeiterin der Weitling-Bibliothek schon einmal die Ausnahmegenehmigung, das Lehrbuch zu zeigen, nach dem der Knabe Carl von seinem Vater in die Naturwissenschaften eingeführt wurde, und es wird verständlich, warum dem Jungen das Lernen im Klostergymnasium leichter fiel, als das Lernen beim Vater Gottlieb, dem gestrengen Kriegsrat.

Brigitta Gottschalk versäumt es nicht, auf die Verdienste des Propstes Rötger hinzuweisen, der als Leiter des Gymnasiums ein für seine Zeit modernes Erziehungsprogramm und moderne Erziehungsrnethoden verwirklichte. Den Propst Rötger hat sein Schüler geschätzt und verehrt. Gitta Gomchalk hat eine Handschrift des Gedichtes entdeckt: "Zum vierten Mai 1821 von Karl Immermann in Münster". Es ist dem Propst Rötger zu seinem fünfzigjährigen Dienstjubiläum gewidmet17. Über die Grundtendenzen und Widersprüche bürgerlicher Bildungskonzeptionen jener Zeit weiß Falk Brditschke Wesentliches zu berichten. Er bestätigt, daß Immermann diese Tendenzen in seinem Zeitroman "Die Epigonen" künstlerisch meisterhaft darzustellen wußte.

Immermann und die Pädagogik - ein weites Feld. Am Rain des Feldes lassen Realismus und Phantasie des Dichters die bunten und stachligen Blumen preußischer Dorfschulpolitik blühen. Aber das paßt schon nicht mehr in die Klosterrnauern, das ist ein Thema, über das man sich auf dem Dorf, in Münchhausens Schloß zu Leitzkau, unterhalten muß.

Hier soll nicht verschwiegen werden, daß die Immermannfreunde unter Mißachtung von Hinweisen aus der Bevölkerung auf die Unhaltbarkeit der These eines genealogischen Zusammenhangs zwischen dem Geschlecht der früheren Barone von Münchhausen auf Leitzkau und Hobeck, dem Helden der bürgerschen Erzählungen - dem Lügenbaron - und dem Helden des Romans von Immermann, dem sauerbereiteten Wurm, dem Enkel des Lügenbarons? und Sohn? oder Alter ego? des bekannten Schriftstellers im braunen Oberrock - Hinweisen, denen sie außer Flausen nichts entgegenzusetzen haben - alljährlich im Mai oder Juni, wenn der Waldmeister den Rohstoff für ein schmackhaftes Getränk geliefert hat, in Scharen nach Leitzkau strömen und Immermanns Münchhausen feiern.
Alljährlich verteidigt Karlheinz Kärgling, im Alltag ein ernsthafter und wahrheitsliebender Arbeiter auf dem Acker der Kulturwissenschaft, seinen Ruf als Leitzkauer Oberlügenverbreiter und als einziger Europäer, der das elfte Kapitel des "Münchhausen" vortragen kann - seit Immermanns Ableben ist er der erste, der den Namen des südamerikanischen Indianerstammes Apapusincasaquintschichisaqua richtig auszusprechen vermag. Und wenn dann Johannes Reinhardt vergißt, daß er ein seriöser Geschichtswissenschaftler geworden ist und als professioneller Theatermann die Geschichten vom furchtsamen Kantor und vom verrückten Dorfschullehrer Agesel vorträgt - von jenem Agesel, der über einem neuen verbindlichen Lehrplan der deutschen Sprache zeitweilig den Verstand verlor -, dann ernten der Dichter Immermann und sein Stimmgeber Reinhardt das tiefste Verständnis und den höchsten Beifall bei den Schloßdamen. Am anderen Tag werden sie als Lehrerinnen in dem schönen alten Gemäuer moderne Lehrpläne verwirklichen, die niemandes Verstand verwirren.
Immermanns unerschöpflicher "Münchhausen", Musik, eine Führung durchs Schloß und auf den Turm mit dem Erlebnis des Aufblühens dieses alten Gemäuers dank der Initiative, des Fleißes und des Geschicks der Leitzkauer und mit immer neuen Ergänzungen alter Geschichten, erzählt von der feierabendlichen Schloßherrin und werktätigen Schuldirektorin Gudrun Mrotzek - das kommt wohl dem Traum nahe, den Immermann von einer Geselligkeit hatte, aus der jeder "eine erhöhte Stimmung und eine Bereicherung des Geistes mit nach Hause bringt".

Immermann reiste gern - er gelangte im Waffenrock bis Waterloo, im Postwagen nach Prag, auf der Eisenbahn von Dresden nach Leipzig und auf dem Dampfschiff von Magdeburg nach Hamburg. Auch Immermanns Freunde sind reiselustige Leute.
In Weimar suchten sie das Goethe-Schiller-Archiv heim, in dem Immermanns Nachlaß (zumindest der größte Teil) zu finden ist. Sie forschten in der Zentralbibliothek der deutschen Klassik, und sie waren im Archiv der Friedrich-Schiller-Universität in Jena.
Dort fanden sie eine Urkunde, in der dem Carolo Immermanno Magdeburgensi die Würde eines Doctoris Philosophiae Honores verliehen und bestätigt wird - am 3. August 1838, zweieinhalb Jahre vor der Verleihung der "Würden, Rechte und Privilegien eines Doktors der Philosophie" an den "trefflichen und gelehrten Carl Heinrich Marx aus Trier" durch dieselbe Fakultät derselben Universität.

Immermannweg in Haldenleben
1987 Park Haldenleben:
"Immermannweg"

In Haldensleben haben sie im Parkaktiv mit Familie Neumann und im AlsteinKlub Freunde gewonnen - 1987 wurde sogar ein Parkweg nach Immermann benannt. Das hat seine Berechtigung.
Manchen Tag seiner Kindheit hat Carlchen bei Verwandten in Neuhaldensleben und in Emden verlebt. 1813 hatte er sich bei den Freiwilligen in Neuhaldensleben gemeldet und wurde auch rekrutiert, aber dann erkrankte er und lag dort im Hospital, bis der Kriegszug gegen Napoleons Truppen schon beendet war. Später ist er in Haldensleben gewesen und hat die Industrie- und die Parkanlagen des Unternehmers Nathusius besichtigt.
Nathusius und sein Unternehmen finden in dem Roman "Die Epigonen" einen Platz. Das interessiert natürlich auch die Lehrer und Schüler der Haldensleber Heine-Schule.

Immermann ist möglicherweise nie in Wolmirstedt gewesen, aber gerade in Wolmirstedt wohnt und wirkt Brigitte Köther, eine Theaterenthusiastin überhaupt und ganz besonders eine Enthusiastin für Immermanns Düsseldorfer Musterbühne.
Das Magdeburger Theater hat sich immer schwer getan im Aufgreifen des Immermannschen Erbes - in der Tat hat der junge Kriminalrichter manches Ironische über die Magdeburger Bühne 1824 geäußert und sein kulturpolitisch wertvolles Theaterexperiment endete in Düsseldorf mit einer totalen ökonomischen Pleite. So kommt es, daß die Magdeburger Immermannfreude im Wolmirstedter Kulturbund gern gesehene Gäste sind, während die Wolmirstedter Immermannfreundin Köther bei den Magdeburger Bühnen auf kühle Reserviertheit stößt.

Nach Halle hat sich von den Immermannfreunden bisher nur Gabi Kärgel unter der Maske einer Forschungsstudentin gewagt. Noch immer sind die Streiche des Studenten Immermann nicht in Vergessenheit geraten, die er der Landsmannschaft der Teutonen versetzte, noch immer ist nicht vergessen, daß Immermanns Streitschrift gegen die Corporationen, gegen das Duell als Mittel zur Schlichtung von Meinungsverschiedenheiten und gegen den Nationalismus als Tugend von Toren auf dem Wartburgfest verbrannt wurde.

Als listige Leute reden die lebenden Freunde Immermanns gern über die Freunde, die Immermann bei Lebzeiten hatte. Sie begeben sich in gute und allerbeste Gesellschaft und hoffen, daß man auch auf sie den Schluß anwenden möge: sage mir, mit wem du umgehst, und ich sage dir, wer du bist.

Immermannfreunde in Düsseldorf
Immermann im Freundeskreis auf dem Kollenbach-Gut:
Grabbe, von Uchtritz, Immermann, Lessing, Gräfin von Ahlefeldt. Quelle: Fehse

Einer der Freunde Immermanns, der Schauspieler und Deklamator O. L. B. Wolff, hat behauptet: "Die Besten lieben ihn, aber die Besten schreiben eben keine Rezensionen." Wolff dachte dabei sicherlich an Ferdinand Freiligrath, in dessen Erinnerungsbuch an Immermann seine Zeilen stehen, an die anderen Autoren dieser Blätter, den künftigen Märtyrer der achtundvierziger Revolution Gottfried Kinkel, an Levin Schücking und an den Kanzler Müller in Weimar. Er dachte möglicherweise an Schadow, Lessing, Hildebrand und Mücke, die Düsseldorfer Maler, an Felix Mendelssohn-Bartholdy, an Dietrich Grabbe, an Ludwig Devrient, an Heinrich Laube und Michael Beer. Ob er auch einen Dichter im Sinn hatte, den wir zu den größten seines Jahrhunderts rechnen, kann man nicht genau wissen.
Dieser große deutsche Dichter schrieb auf der Höhe seines Ruhmes, als er zufällig vom Tode Immermanns erfahren hatte: "Daß aber mein armer Immermann tot ist, ist doch das schlimmste... Ich habe die ganze Nacht durchgeweint ... Sie wissen, welche Bedeutung Immermann für mich hatte, dieser alte Waffenbruder, mit welchem ich zu gleicher Zeit in der Literatur aufgetreten, gleichsam Arm in Arm."
Ganz ähnlich der Nachruf eines anderen Mannes, noch am Anfang seiner Laufbahn, die ihn in die Reihen der Klassiker des Marxismus-Leninismus führen wird. In dem Gedicht "Bei Immermanns Tod" schreibt ein Elberfelder Fabrikantensohn unter dem Pseudonym Friedrich Oswald - und man darf fragen, ob der Oswald aus dem "Münchhausen" seinen Namen gab:
Du sahst uns deinem Haus voll Ehrfurcht nahn,
Du sahst uns sitzen still zu deinen Füßen,
Wie wir in dein begeistert Auge sahn,
Und hörten deiner Dichtung rauschend Fließen
.
Ein halbes Jahr später erscheint im "Telegraph für Deutschland" eine Besprechung: Immermanns "Memorabilien". Wieder ist der Verfasser Friedrich Oswald. Und es ist schon merkwürdig, daß diese Besprechung des letzten, unvollendeten Werkes Immermanns durch den jungen Engels ganz ähnlich ausklingt wie der erste Brief des jungen Heine an den jungen Immermann.
Heine hatte im Dezember 1822 in einem Brief an Immermann geschrieben: "Kampf dem verjährten Unrecht, der herrschenden Torheit und dem Schlechten! Wollen Sie mich zum Waffenbruder in diesem heiligen Kampfe, so reiche ich Ihnen freudig die Hand."
Engels Artikel endet mit dem Aufruf: "Darum laßt uns für die Freiheit kämpfen, solange wir jung und voll glühender Kraft sind; wer weiß, ob wir's noch können, wenn das Alter uns beschleicht."

Alles das liegt nun etwa 150 Jahre zurück. Immermann starb im Alter von 44 Jahren auf der Höhe seines Ruhmes am 25. August 1840.

Ein Jahrestag, und noch dazu ein 150., bietet immer einen Anlaß zu Erinnerungen. Die Immermannfreude meinen das auch, aber sie wollten ihren Dichter nicht nur in jenem Jahr und an jenem Tag in die Erinnerung gerufen wissen. Unter der temperamentvollen Leitung von Christel Hörning zitieren sie den Dichter immer mal wieder aus dem Dichterhimmel auf die Magdeburger Erde und veranstalten ein "Interview mit Herrn Immermann", das jedesmal das Interesse der internationalen Presse und der einheimischen Zubehörer weckt.
Als besonderes Denkmal gestalten sie im Auftrage des Rates der Stadt Magdeburg ein Bändchen mit Beiträgen über Immermanns Werk und sein Wirken. Damit wird eine Tradition fortgesetzt, an deren Anfang Ferdinand Freiligraths Erinnerungsblätter stehen und in die ein Erinnerungsbuch zum 100. Geburtstag und eine Broschüre zum 100. Todestag Immermanns einzuordnen sind.
Freilich sind diese Traditionen so vielseitig wie der Immermann selbst: 1896 meldeten sich seine patriotischen Enkel zu Wort, die Brüder Geffcken, und 1940 schrieb der Raabe-Forscher Wilhelm Fehse im Auftrage des damaligen Rates der Stadt Magdeburg.
Ein unerreichbares Vorbild ist gegeben: Fritz Böttgers Immermann-Buch "Im Schatten des schwarzen Adlers". Hier ersteht "das Bild eines aufrechten, liebenswerten, geselligen Menschen, der an den Geschicken seiner Mitmenschen und am Zeitgeschehen leidenschaftlich Anteil nahm".


Anmerkungen

1 Karl Immermann. Briefe in drei Bänden (Hg. P. Hasubeck) München/Wien 1978-1987, insbesondere Briefe aus Magdeburg 1804-1812, 1824-1827 und Briefe an Wilhelmine, Ferdinand und Hermann Immermann [Zurück]
2 Immermann: "Spruch des Dichters" und "In der Heimat".
In: Gedichte von Karl Immermann. Neue Folge. Stuttgart/Tübingen 1830 [Zurück]
3 Immermann: Memorabilien - Die Jugend vor 25 Jahren.
In: Immermanns Werke.Auswahl in sechs Teilen (Hg. K. W. Deetjen) Berlin/Leipzig/Wien/Stuttgart (1908-1911) Band III/ 5. Teil [Zurück]
4 Immermann: Reisejournal.
In: Immermanns Werke Hg. R. Boxberger. Berlin (1883) Theil 10 [Zurück]
5 Beiträge zur Methodik der Untersuchungsführung. Mitgeteilt von Karl Immermann, Landgerichts-Rathe und Instructions-Richter zu Düsseldorf.
In: Zeitschrift für die Criminal-Rechts-Pflege in den Preußischen Staaten (Hg. J.E. Hitzig) 15. Heft. Berlin 1828 [Zurück]
6 Schülerbeurteilungen Immermanns aus den Beständen des Staatsarchivs Magdeburg, Rep. A 4 f Sect. IV b Nr. 19 Bd. X [Zurück]
7 Neues Jahrbuch des Pädagogiums zu Unser Lieben Frauen in Magdeburg (Hg. G.S. Rötger 1811-1818, S.31f [Zurück]
8 Karl Rosenkranz: Von Magdeburg bis Königsberg. Leipzig 1878, S.150f, 193f, 298 [Zurück]
9 Heinrich Heine: Briefe an Moser (4.4. 1824), Christiani (24.5.24), Robert (27. 5. 1824).
In: Heinrich Heine: Werke und Briefe in zehn Bänden (Hg. H. Kaufmann) Berlin 1980 [Zurück]
10 Felix Wolff: Marianne Wolff, geb. Niemeyer, die Witwe Karl Immermanns - Leben und Briefe. Hamburg 1926 [Zurück]
11 Briefe, a.a.O., Band 3.1 und 3.2 [Zurück]
12 Vergl. Marginalien. Zeitschrift für Buchkunst und Bibliophilie. (1988) 2, S.32/33 [Zurück]
13 Karl Leberecht Immermann: Münchhausen. Ein Gedicht in Arabesken. Ende des sechsten Kapitels im ersten Buch: Wie der Dorfschulmeister Agesel durch eine deutsche Sprachlehre um seinen Verstand gebracht wurde und sich Agesilaus nannte.
Ausgaben: Aufbau-Verlag Berlin 1955, S.78.
Paul List Verlag Leipzig 1968, S.107 [Zurück]
14 Wilhelm Höpfner: Werkverzeichnis. Stendal 1980. Nr. 1562-67
Geschenkmappe für den Rat des Bezirkes Magdeburg.
6 Magdeburger Köpfe: Rollenhagen, Weitling, Immermann, Otto v. Guericke, Telemann, Weinert. Radierungen in 10 Expl.[Zurück]
15 Briefe, a.a.O., Bd.3.1 S.23 [Zurück]
16 Vgl. Johannes Reinhardt: Die Deutsche Theaterausstellung 1927 in Magdeburg. In: "Magdeburger Blätter" 1987, S.64 [Zurück]
17 Briefe, a.a.O., Bd. 2 S.1104ff
Erstdruck in: Fortsetzung des Neuen Jahrbuches des Pädagogiums zu Unser Lieben Frauen in Magdeburg (Hg. K. F. Solbrig) Magdeburg 1821, S.86-89, Nr.8 [Zurück]
18 Memorabilien, a.a.O., S.73 [Zurück]
19 Karl Marx. Dokumente seines Lebens. Leipzig 1970, S.97 (Reclams Universal-Bibliothek; Band 439) [Zurück]
20 Karl Immermann: Die Epigonen.Familienmemoiren in neun Büchern 1823-1835. Siebentes Buch (Hg. P. Hasubek) München 1981.
Vgl. auch Klaus Washausen: "Ein Grablied dem Geschlechte, das vergangen" Karl Leberecht Immermanns "Epigonen".
In: "Magdeburger Blätter" 1986, S.33-36;
ders.: Entwicklung des Gesellschaftsromans im 19. Jahrhundert. Wiss. Zft. der PH "Erich Weinert". Magdeburg 24(1987)3, S.259-262 [Zurück]
21 Ein Wort zur Beherzigung von Karl Immermann. (Jena) 1817.
Dazu Heine an Immermann, 24. 12. 1822: Ich fand diese Tage eine kleine Burschenschrift: ,Ein Wort zu seiner Zeit von Immermann'. Ich glaube, sie ist von Ihnen, und mit Freude habe ich daraus ersehen, wie Ihnen schon früh ein starkes Wollen des Guten und Rechten innewohnte. (a.a.O., S.54) [Zurück]
22 Karl Immermann. Blätter der Erinnerung an ihn. Hg. F. Freiligrath. Stuttgart 1842, S.76 [Zurück]
23 Heinrich Heine: Brief an Laube vom 9./10. 9. 1840.
In: H. Heine: Werke und Briefe... a. a. O. [Zurück]
24 Marx/Engels Werke [MEW]. Ergänzungsband, 2. Teil, S.98 [Zurück]
25 Heine, a.a.O., S.54 [Zurück]
26 MEW, a.a.O., S.149 [Zurück]
27 Karl Immermann. Eine Gedächtnisschrift zum 100. Geburtstag des Dichters. Hamburg/Leipzig 1896 [Zurück]
28 Karl Leberecht Immermann.Ein Lebensbild von Wilhelm Fehse. Magdeburger Kultur- und Wirtschaftsleben. Bd. 21, Magdeburg 1940 [Zurück]
WF Fehse a.a.O. [Anm.28 ] [Zurück]
29 Karl Immermann. Im Schatten des schwarzen Adlers.Ein Dichter- und Zeitbild in Selbstzeugnissen, Werkproben, Briefen und Berichten (Hg. Fritz Böttger) Berlin 1967 [Zurück]
FB Böttger a.a.O. [Anm. 29] [Zurück]

Letzte Änderung: 25.04.2008


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